Eona - Drachentochter by Alison Goodman

Eona - Drachentochter by Alison Goodman

Autor:Alison Goodman
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2012-01-15T10:14:32+00:00


13

Als Ryko und ich schließlich den Kiesgarten erreichten, der meine Gemächer umgab, stellte ich erleichtert fest, dass nur die beiden Nachtlampen an den Ecken brannten, deren Licht das Gebäude vor bösen Geistern schützte – ein sicheres Zeichen dafür, dass niemand mein Verschwinden bemerkt und Alarm geschlagen hatte. Wir schlichen über die Steine zum fahlen Rechteck meines Schlafzimmerfensters. Der Lederband war noch immer fest an meinen Unterarm gebunden, und die Perlen waren so warm, als durchströmte sie ihr eigenes Hua.

Bald würde ich das Wort lesen, das meine Macht freisetzen würde. Ich hatte mir immer vorgestellt, der Name eines Drachen müsse wie ein Windstoß klingen, der durch Blätter geht, oder wie plätscherndes Wasser. Aber wie ließ sich so etwas aufschreiben?

»Soll ich bleiben, Mylord?«, fragte Ryko leise.

Ich schüttelte den Kopf. Wir hatten während unserer hastigen Rückkehr in den Kaiserpalast nur das Notwendigste miteinander gesprochen. Die letzten Stunden hatten uns einige unliebsame Wahrheiten über uns selbst und den anderen offenbart und das war nicht leicht zu verkraften. Außerdem wollte ich allein sein, wenn ich den Namen las.

»Danke, Ryko«, sagte ich. »Für alles.«

Er verbeugte sich und ging. Nur das leise Knirschen eines Kiesels verriet sein behutsames Verschwinden.

Ich stemmte mich aufs Fensterbrett und landete unbeholfen auf dem dicken Teppich in meinem Schlafgemach. Mit wenigen Schritten war ich neben der beschirmten Öllampe, die ich auf dem Nachttisch hatte brennen lassen. Ich schob den rechten Ärmel hoch, doch der Stoff blieb an den Perlen und dem Portfolio hängen. Schimpfend und mit vor Ungeduld zitternder Hand krempelte ich das Gewand hoch und endlich lag es offen da.

Im schwachen Licht der Lampe schillerten die schwarzen Perlen grün und violett wie ein Ölfilm auf dem Wasser. Das rote Leder darunter hatte den samtenen Glanz eines Seehundfells, der nur durch die drei tiefen Kerben auf der Vorderseite gestört wurde. Mit angehaltenem Atem hob ich die Perle am Schnurende an. Es ging nicht ganz leicht, als wäre sie mit einem Gewicht beschwert, doch dann löste sie sich von meinem Unterarm. Eine Perle nach der anderen folgte und bald hing der Lederband nur noch lose an meinem Arm. Ich atmete auf, als ich die letzten Perlen abwickelte und die Schrift in meine Hand fiel. Klickend legten die Perlen sich mir als Armband lose ums Handgelenk.

Ich strich über die Kerben und betastete ihre rauen Kanten, die vom Scheitern eines anderen zeugten. Ob dieser andere Lord Ido war? Ich lachte kurz auf – die Perlen hatten den Text zwar nicht für das allmächtige Rattendrachenauge freigegeben, wohl aber für mich! Eine Lederzunge war durch eine Schlaufe gefädelt, um die Mappe geschlossen zu halten. Mit vor Aufregung unbeholfenen Fingern versuchte ich die Zunge herauszuziehen – vergeblich. Vielleicht hatte ich mich zu früh gefreut. Ich rieb die feuchten Fingerspitzen an meinem Gewand ab und versuchte es erneut. Schließlich bekam ich die Zunge aus der Schlaufe und hob den Lederdeckel an. Ich hatte eine Sammlung loser Blätter erwartet, stattdessen blickte ich auf ein dickes Bündel feinsten Papiers, das am linken Rand zusammengeheftet war. Ein Buch! Ich hatte so etwas schon mal in der Bibliothek meines Meisters gesehen – eine Rarität, die er in hohen Ehren hielt.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.